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Urteil: Hotel darf als "Hühnerstall" bezeichnet werden – Niederlage für Landhotel Hühnerhof Tuttlingen – Hotelbewertung ist freie Meinungsäußerung

(Stuttgart, 06. November 2013) Niederlage für das Landhotel Hühnerhof in Tuttlingen: Hotelier Thomas Gande muss hinnehmen, dass ein Gast sein Haus in einem Hotelbewertungsportal als “Hühnerstall” bezeichnete. Dies sei eine durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) gedeckte Meinungsäußerung, entschied nun das Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 4 U 88/13, 1 O 76/12, vom 11. September 2013).

Landhotel Hühnerhof in Tuttlingen
Landhotel Hühnerhof in Tuttlingen

“Die Bewertung ‘nicht Hühnerhof, sondern Hühnerstall’ beinhalte keine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil. Die Beschreibung des Hotels erschöpfe sich insoweit in einer schlagwortartigen Bezeichnung, die allein auf einer subjektiven Beurteilung beruhe”, heißt es in der Urteilsbegründung. Den Vorwurf der Schähkritik wollte das Gericht nicht gelten lassen.

Die Hotelbewertung lautete: „Für ein 4 Sterne Restaurant eine zumutung. Rezeption nicht besetzt. Frühstück eine einzige Katastrophe. Bahnhofsatmosphäre. Rollwagen worauf das Geschirr gestapelt wird. Bei 100 Übernachtungen pro Jahr, hier nie wieder!!!!!!!!!!!!!“ Der Hotelbetreiber sah sich aufgrund dieser Bewertung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und nahm den Betreiber des Bewertungsportals auf Unterlassung in Anspruch. Die Bezeichnung als „Hühnerstall“ bringe das Hotel mit „Schmutz und Kot“ in Verbindung und sei deshalb als Herabwürdigung aufzufassen.

Das Oberlandesgericht Stuttgart schloss sich mit seinem Urteil der Argumentation des vorinstanzlichen Landgerichts Rottweil an. Die Urteilsbegrüdung des OLG Stuttgart befasst sich detailliert mit dem Vergleich Hotel und Hühnerstall: “Der Aussage könne nicht entnommen werden, dass sie eine Herabsetzung enthalte, die über die Auseinandersetzung in der Sache selbst hinausgeht. Die Verwendung des Begriffs Hühnerstall im Zusammenhang mit einem Hotel lasse sich dadurch erklären, dass das Hotel den Namen Hühnerhof trage. Rein vom Wortlaut her beschreibe der Begriff Hühnerhof, dass ein Betrieb zum Halten und Nutzen von Hühnern vorhanden sei. Dass damit nicht ein Hotelbetrieb beschrieben werden soll, bedürfe keiner weiteren Erläuterung. Der Begriff Hühnerstall stehe demgegenüber wohl zunächst für das Gebäude, das für den Aufenthalt der Hühner bestimmt ist (OLG Koblenz, Urteil vom 12.5.1992 – 3 U 1765/91). Dem Gericht lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass der Begriff Hühnerstall zwangsläufig mit der Vorstellung von Dreck und Schmutz verbunden sei.” Die Bewertung umfassse “allenfalls Aussagen über schlechte Organisation. Es werde damit aber kein Hinweis darauf geliefert, dass der Begriff Hühnerstall im Sinne von Schmutz und Kot verstanden werden soll.”

Weiter heißt es: “Die Überschrift ‘nicht Hühnerhof, sondern Hühnerstall’ lasse sich deswegen ohne weiteres dahin verstehen, dass der Bewerter den vom Kläger vorgegebenen Begriff des Hühnerhofs aufgenommen und mit dem Wort Hühnerstall polemisch umgesetzt habe, ohne damit das Hotel über eine Meinungsäußerung hinaus herabzusetzen. Die Verwendung des Stilmittels der Alliteration diene deshalb nicht der Verstärkung der Kritik, sondern solle Aufmerksamkeit erregen. Der vorliegende Fall unterscheide sich von demjenigen, der Gegenstand des Urteils des Oberlandesgerichts München vom 09.07.1993 (Az. 21 U 6729/92, Stichwort ‘Cappuccino’ [sei] ‘als Getränk zu werten, das mehr nach Haarwaschmittel als nach italienischem Wasser schmecke’) gewesen sei. Die dortige Aussage sei einer weiteren Auslegung nicht zugänglich gewesen. Demgegenüber sei der Begriff Hühnerstall nicht eindeutig. Nur dann, wenn insoweit allein die vom Kläger interpretierte Aussage denkbar wäre, wäre von einer Schmähkritik auszugehen.” Dem Gast stehe es frei, über seine Erfahrungen eine Meinung zu äußern, urteilte das OLG Stuttgart.

Bewertungen im Internet sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Anders sieht es aus, wenn primär die Herabwürdigung eines anderen verfolgt wird (sogenannte Schmähkritik).
Doch auch hier liegt nur eine Einzelfallbetrachtung vor, die nicht ohne Weiteres auf ähnliche Fälle von Hotelbewertungen übertragen werden kann.