(Wien, 26. Juni 2012) Die Zukunft des Tourismus liegt in der Fähigkeit, mit den Augen des Gastes zu sehen und mit seinen Ohren zu hören. “Personenbezogene Dienstleistungskompetenz” nennt der Wiener Freizeitforscher Peter Zellmann vom Institut für Tourismus und Freizeitforschung das Einfühlungsvermögen, mit Menschen richtig umzugehen und damit Wertschöpfung zu erzielen. Zellmann nahm Montag abend in Wien an einer Podiumsdiskussion des Travel Industry Club (TIC) teil, der jetzt in Österreich durchstartet.
Tourismus als Leitwirtschaft
Der Tourismus könnte im aufbrechenden Dienstleistungszeitalter eine Leitwirtschaft werden, erklärte Zellmann. Er müsse sich aber von der “Dienstbotenmentalität” der Vergangenheit lösen. Dienstleistung sei heute eine Hauptressource der Wirtschaft, denn Unternehmen, Mitarbeiter und Kunden sitzen in einem Boot. Diese neue Erkenntnis muss sich erst auf allen Ausbildungsebenen durchsetzen – vom Volksschulalter an, sagte Zellmann. “Es gibt keine Alternative zu dieser Entwicklung in den nächsten 20 bis 30 Jahren”, so der Autor des Buches “Die Zukunft der Arbeit”.
“Brücke zum Gast”
An einer Modularisierung der Ausbildung führt daher kein Weg vorbei. Die Frage ist nur, wie sie ausgestaltet wird. Die Menschen werden in Zukunft “Ausbildungsmodule” sammeln, die irgendwann “etwas Ganzes” bilden, sagte Zellmann. Er kritisierte in diesem Zusammenhang den heutigen Fokus auf Technik und Marketing anstelle der Schulung im Umgang mit Menschen. Beispiele wie die Inbetriebnahme des Checkin 3 am Flughafen Wien zeigten, wohin diese Technologie- und Software-Fixierung führt. Das Gegenmodell laute “High-Touch statt High-Tech”, so Zellmann, Touristiker müssten eine “Brücke zum Gast” schaffen.
Das täglich inszenierte Frühstück
Im Tourismus geht es primär um das Angebot, nicht um die Vermarktung oder den Verkauf. Das sei Knochenarbeit: Das täglich in Szene gesetzte Frühstück, die Bewältigung des Urlaubsalltages. Darauf muss die Ausbildung aufbauen, darauf muss die Nachwuchsarbeit Rücksicht nehmen. Bevor die Marktforschung hier beginnen kann, müsse eine Bedürfniserfassung erfolgen, erklärte Zellmann das Szenario für die Arbeitswelt der Zukunft, das im Anschluss für rege Diskussionen sorgte. Etwa wie es der Gewerkschafter Rudolf Kaske formulierte: “Es ist alles relativ einfach … aber es gibt viel zu tun. Die Chancen für den Tourismusweltmeister Österreich sind jedenfalls intakt.”
Tourismus Industry Club jetzt auch in Wien
Auf der Veranstaltung im Wiener Hotel Meridien stellten Vice President Thomas Wilde und der Tourismusberater Harald Hafner den Travel Industry Club Austria vor, der sich als unabhängiges Netzwerk etablieren will und sich insbesondere an Entscheider und Macher im Tourismus wendet. Ziel des Clubs ist es, die Bedeutung der Reise- und Tourismusindustrie sichtbar zu machen und dessen Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu verbessern. “Zentrale Maßnahmen sind Forschung, Entwicklung und Nachwuchsförderung, also die wesentlichen Aspekte für den funktionierenden Tourismus für Morgen”, sagte Hafner.