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Folgen des Rauchverbotes: Der Umsatz ist verdunstet

Gelesen in FAZ, 04. Januar 2007

Heidrun Frank graut vor der kommenden Woche. Dann muss die Wirtin der Kneipe „Hoppla“ ihre Steuererklärung machen und wird die gefühlten 30 Prozent Umsatzschwund der vergangenen Monate schwarz auf weiß vor Augen geführt bekommen. „Ich werde umfallen“, ist sich die resolute Kneipenwirtin sicher und fordert ihren Barmann auf, dem Besuch zu berichten, was er in den vergangenen vier Stunden eingenommen hat. Sechs Euro sind es. Das sei keine Ausnahme, versichert Frank. Es habe im Dezember auch schon Abende gegeben, an denen sie nur vier Euro Umsatz in der Kasse hatte.

Das „Hoppla“ ist eine typische Einraumkneipe, wie es sie überall in Deutschland und besonders häufig in einem Ausgehviertel wie Frankfurt-Alt-Sachsenhausen gibt. Das Publikum besteht aus Stammgästen, getrunken wird vor allem Bier vom Fass, im Hintergrund dudelt Schlagermusik, und gegenüber der Bar blinken ein paar Spielautomaten. Zumindest war es bis zum 1. Oktober vergangenen Jahres so. Doch seit sich – dank des Rauchverbots – der Zigarettenqualm aus den Kneipen verflüchtigt hat, haben es auch die Gäste getan.

„Das Gesetz vernichtet unsere Existenz“

Die Lokale, die nur aus einem Schankraum bestehen und keine Möglichkeit haben, besondere Raucherzonen auszuweisen, sind besonders stark vom Gästeschwund betroffen. Da dort ein generelles Rauchverbot herrscht, weichen die rauchenden Gäste auf Kneipen aus, wo sie sich auch weiterhin die Zigarette zum Feierabendbier genehmigen können. Und der Raucher, der seinem Stammlokal die Treue hält, trinkt weniger, weil er zum Rauchen nicht in die Kälte, sondern lieber wieder nach Hause geht. Gegen die Verlockungen des Nikotins kommen auch die Gummibärchen nicht an, die Frank ihren Gästen neuerdings auf den Tresen stellt, um sie bei der Stange zu halten.

„Das Gesetz vernichtet unsere Existenz, die Großen freuen sich doch über unsere Kunden“, klagt auch Kneipenwirtin Irene Fiduk, die ihre Umsatzeinbuße mit 40 Prozent beziffert. Ihrem niedersächsischen Kollegen Jens Heinrich, Geschäftsführer der Gaststätte „Mezzo“ in Hannover, geht es nicht anders: „Ab 22 Uhr ist die Hütte leer“, sagt er. Heinrich will sein Lokal nun umbauen, um den Rauchern ein Refugium zu bieten.

Die protestierenden Besitzer von Einraumkneipen aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hessen – den Bundesländern, wo das Rauchverbot schon seit mehreren Monaten in Kraft ist – betonen, dass sie den Nichtraucherschutz nicht aushebeln wollen. Sie verlangen jedoch die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob sie ihr Lokal als Raucher- oder Nichtrauchergaststätte deklarieren, so wie es in Spanien und Portugal der Fall ist. Wer die Miete bezahle und das unternehmerische Risiko trage, solle auch über Qualm oder Nichtqualm in seiner Kneipe bestimmen dürfen, heißt es immer wieder.

Vor allem ärgern sich die Wirte der kleinen Eckkneipen über den Wettbewerbsnachteil, dem sie aufgrund ihrer baulichen Voraussetzungen gegenüber der Konkurrenz mit mehr Räumen ausgesetzt sind. Hier setzt auch die Beschwerde des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) an, die der Unternehmerverband beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht hat. Die Verfassungsbeschwerde bedeute keine Verneinung des Nichtraucherschutzes, sagt Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. „Die Besitzer der wirtschaftlich stark betroffenen Einraumlokale warten jedoch, dass wir ihnen helfen.“

Viele Einraumkneipiers wollen die Verfassungsklage nicht abwarten

Rupert Scholz, ehemaliger Verteidigungsminister und Verfassungsrechtler bei der Kanzlei Gleiss Lutz in Berlin, bereitet die Klage für den Gaststättenverband vor. „Das Gesetz verstößt gegen die Grundrechte der Berufs- und Eigentumsfreiheit“, sagt Scholz. Weil sein Fall typisch sei, ist Uli Neu, Inhaber der Einraumgaststätte Pfauen in Tübingen, als Beschwerdeführer ausgewählt worden: Da 70 Prozent seiner Gäste Raucher sind, hat Neu seit August 30 Prozent weniger Umsatz gemacht. Eine Möglichkeit, umzubauen, habe Neu nicht.

Eine repräsentative Studie des Marktforschungsinstituts CHD Expert untermauert die wirtschaftlichen Folgen des Rauchverbots für Gaststätten: Seit der Einführung beklagen 43 Prozent der Gastronomen in Niedersachsen und Baden-Württemberg einen Kundenschwund. Nur 6 Prozent der Wirte geben an, dass sie durch den Nichtraucherschutz neue Gäste hinzugewonnen hätten.

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