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Steuerhinterziehung: Selbstanzeige wird verschärft

Steuern(Berlin, 09. Dezember 2014) Der Finanzausschuss des Bundestages hat den Weg zu Änderungen am System der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht frei gemacht. Die Vorschrift soll erheblich enger gefasst werden als bisher. Der Ausschuss stimmte dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung zu. Für den Entwurf waren die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktion Die Linke enthielt sich.

Vorgesehen sind unter anderem niedrigere Grenzwerte. So soll die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Selbstanzeige straffrei bleibt, von 50.000 auf 25.000 Euro gesenkt werden. Der zu zahlende Geldbetrag soll abhängig vom Hinterziehungsvolumen gestaffelt werden. „Hervorzuheben ist auch die vorgesehene generelle Ausdehnung des Berichtigungszeitraums auf zehn Jahre für eine wirksame Selbstanzeige. Bisher besteht diese Verpflichtung nur in Fällen einer besonders schweren Steuerhinterziehung“, heißt es im Entwurf.

Probleme mit Regelung der Selbstanzeige
Die Bundesteuerberaterkammer hat davor gewarnt, die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht faktisch abzuschaffen. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses erklärte die Organisation am Mittwoch, das Rechtsinstitut der Selbstanzeige habe sich bewährt und sollte grundsätzlich erhalten bleiben. Angesichts der von der Bundesregierung geplanten Änderungen stelle sich aber die Frage, „ob diese nicht zu einer faktischen Abschaffung der Selbstanzeige führen können“. Insbesondere die Verlängerung des notwendigen Erklärungszeitraums auf zehn Kalenderjahre für alle Fälle der Steuerhinterziehung könne in vielen Fällen zur Unmöglichkeit einer Selbstanzeige führen, weil die erforderlichen Unterlagen nicht mehr beizubringen seien. Auch Regierungsdirektor Klaus Herrmann, Leiter des Referates für Fahndung und Strafsachen im Landesamt für Steuern in Koblenz, plädierte in seiner Stellungnahme grundsätzlich für den Erhalt der Selbstanzeige: „Das ist aus fiskalischer Sicht schon mal gut, denn das Instrument der Selbstanzeige bringt dem Staat viele Millionen Steuermehreinnahmen, die anders – trotz verbesserter Möglichkeiten der Finanzverwaltung – nicht kommen würden. Daher sind die meisten Finanzämter froh um jede Selbstanzeige.“

Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (18/3018) sieht vor, dass die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht erheblich enger gefasst werden als bisher, unter anderem durch niedrigere Grenzwerte. So soll die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Selbstanzeige straffrei bleibt, von 50.000 auf 25.000 Euro gesenkt werden. Der zu zahlende Geldbetrag soll abhängig vom Hinterziehungsvolumen gestaffelt werden. „Hervorzuheben ist auch die vorgesehene generelle Ausdehnung des Berichtigungszeitraums auf zehn Jahre für eine wirksame Selbstanzeige. Bisher besteht diese Verpflichtung nur in Fällen einer besonders schweren Steuerhinterziehung“, heißt es im Entwurf.

Die Zehn-Jahres-Frist griff auch der Zentralverband des deutschen Handwerks ZDH auf. Die Abgabe von korrigierten Steuererklärungen werde erschwert, „da die erforderlichen Unterlagen zum Teil nicht mehr vorhanden sind oder Wissensträger dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen“. Ähnlich äußerte sich in der Anhörung der Steuerberater Frank Wehrheim. Auch nach Ansicht der Stiftung Familienunternehmen muss „Obacht gegeben werden, dass die jetzt vorgesehenen Maßnahmen nicht das Ziel einer Rückkehr in die Steuerehrlichkeit konterkarieren. Jede weitere Verschärfung der Selbstanzeige kann dazu führen, dass das Instrument der Selbstanzeige weniger oder gar nicht mehr genutzt wird“.

Wie die Stiftung Familienunternehmen begrüßten auch die großen deutschen Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Erklärung die vorgesehene Korrektur einiger Regelungen aus dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, die zur Kriminalisierung von steuerehrlichen Unternehmen und deren Mitarbeitern führen könnten, etwa im Fall irrtümlicher Angaben. Die Spitzenverbände begrüßten, dass im Bereich der Steueranmeldung bei der Umsatz- und Lohnsteuer Korrekturen vorgenommen würden, verlangten jedoch eine Ausweitung auch auf den Bereich anderer Steuern wie Kapitalertragsteuer und Versicherungsteuer. Die Verbände verlangten auch mehr Rechtsicherheit für Unternehmen. Es häuften sich die Fälle, in denen vorsätzliches und strafbares Verhalten unterstellt werde, auch wenn es nur um in einer Betriebsprüfung aufgedeckte Fehler gehe. Es würden Straf- oder Bußgeldverfahren angedroht. Auch Berend Holst (Volkswagen AG) schrieb in seiner Stellungnahme davon, dass im geltenden Recht bereits bloße Arbeitsfehler kriminalisiert werden könnten. Deshalb gebe es in den Unternehmen, aber auch in der Finanzverwaltung erhebliche Unsicherheit.

Die Aussagen der Wirtschaft stießen auf Widerspruch bei anderen Sachverständigen. Für eine Vielzahl von Strafverfahren im Unternehmensbereich gebe es keine Belege, sagte etwa Heinz-Joachim Mallach vom Finanzamt Hagen (Nordrhein-Westfalen). Aus Sicht des Praktikers sei „keine Kriminalisierung feststellbar“. Dass Fehler im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz korrigiert werden sollten, sei jedoch zu begrüßen. Hans-Peter Buckenberger (Finanzamt Verden) ergänzte, seit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz gebe es keinen Fall, der in einem Strafverfahren geendet habe.

Nach Angaben von Professor Markus Jäger (Richter am Bundesgerichtshof) besteht die Korrekturmöglichkeit falscher Daten schon heute und hat mit dem Institut der Selbstanzeige nichts zu tun. Es sei zwischen Korrekturfällen und Straftaten zu unterscheiden. Die Selbstanzeige als Mittel der Korrektur von Arbeitsfehlern zu betrachten, sei ein „grundsätzliches Missverständnis“, weil der Hinterziehungsvorsatz fehle. Wenn jemand nach bestem Wissen und Gewissen in einer Firma eine Steuererklärung unterschreibe, fehle das für Steuerhinterziehung notwendige Willenselement. Den Befürwortern der Selbstanzeige gehe es nur um eine „wasserdichte Lösung“, bei der der Vorsatz erst gar nicht geprüft werden müsse.

Professor Rudolf Mellinghoff, der Präsident des Bundesfinanzhofs, wies auf mögliche verfassungsrechtliche Probleme hin. Verfassungsrechtliche Risiken könne es angesichts der enorm hohen Zuschläge gebe. Ein weiteres Problem könne in der Verlängerung der Erklärungsfrist auf bereits verjährte Zeiträume bestehen. Da stelle sich die Frage der Ungleichbehandlung zwischen denen, die eine Steuererklärung abgeben würden und denen, die keine abgeben würden.

Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) hält das Institut der Selbstanzeige als „Brücke zur Ehrlichkeit“ nur noch im Bereich einfacher Steuerhinterziehung für vertretbar. Bei schwerer Steuerhinterziehung sollte eine Selbstanzeige nicht mehr möglich sein. „Im Bereich schwerer Steuerhinterziehung, insbesondere bei Schwarzgeldanlagen und mit Auslandsbezug, geht es in aller Regel um direkten Vorsatz. Vergessen und Fahrlässigkeit scheiden hier aufgrund konspirativen Vorgehens aus“, so die Steuergewerkschaft in ihrer Stellungnahme. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit forderte, dass eine Strafbefreiung beziehungsweise Strafminderung nur einmal im Leben möglich sein sollte. Entsprechende Regelungen gebe es bereits in Kanada, Österreich und der Schweiz. Auf einen anderen Aspekt verwies Klaus Herrmann vom Landesamt für Steuern. Danach liegt der Schwerpunkt der Steuerhinterziehung nicht bei der Kapitalertragsteuer, sondern bei der Einkommen- und Umsatzsteuer.

Steuerrechtsänderungen verabschiedet
Der Finanzausschuss des Bundestags hat den Weg für eine Reihe wichtiger Steueränderungen freigemacht. Sie betreffen Regelungen zur Berufsausbildung, zur steuerlichen Behandlung von Betriebsfeiern und zur privaten Altersvorsorge. Der Ausschuss stimmte dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zu. Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Zuvor hatten die Koalitionsfraktionen 15 Änderungsanträge eingebracht, denen der Ausschuss zustimmte.

Neben Regelungen für den EU-Zollkodex ist in dem Gesetz auch die Einführung einer Steuerbefreiungsvorschrift für den Invest-Zuschuss für Wagniskapital vorgesehen. Im Bereich des Einkommensteuerrechts soll es steuerliche Erleichterungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben. Für zusätzliche, außergewöhnliche Betreuungsleistungen soll ein Freibetrag von 600 Euro im Jahr eingeführt werden. Dabei geht es um Betreuungskosten, „die kurzfristig aus zwingenden beruflich veranlassten Gründen entstehen“. Erstmals sollen damit auch Betreuungskosten „in eng umgrenzten Rahmen steuerlich begünstig (werden), wenn sie im Privathaushalt des Arbeitnehmers anfallen“.

Neu definiert wurde der Begriff der ersten Berufsausbildung. Bisher sind Ausbildungskosten des Steuerpflichtigen bis zum Abschluss der Erstausbildung bis zu 6.000 Euro als Sonderausgaben abziehbar. Mit der Neuregelung wird vorgeschrieben, dass die Erstausbildung für eine gewisse Dauer angelegt sein muss und die zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln hat. Die Mindestdauer der ersten Berufsausbildung wurde vom Ausschuss per Änderungsantrag von 18 auf zwölf Monate reduziert.

Das Abzugsvolumen für Beiträge zugunsten einer Basisversorgung im Alter (gesetzliche Rentenversicherung, Versorgungswerk oder private Basisrente) sollte ursprünglich von 20.000 auf 24.000 Euro angehoben werden. Der Finanzausschuss änderte dies ab und koppelte die Förderhöchstgrenze an den Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung (22.172 Euro). Bei Betriebsveranstaltungen sollen Zuwendungen des Arbeitgebers keinen Arbeitslohn darstellen, wenn ihr Wert 110 Euro nicht übersteigt. Aus der ursprünglichen Freigrenze wurde jedoch per Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ein Freibetrag, was für die Betroffenen eine Verbesserung bedeutet.

Die CDU/CSU-Fraktion hob besonders die Änderungen bei der Anerkennung der Berufsausbildung und bei den Regelungen für Betriebsfeiern hervor. Zur Beratung der vielen Vorschläge des Bundesrates habe die Zeit gefehlt. Die Anliegen der Länder würden aber zügig wieder auf die Agenda kommen, etwa Maßnahmen zur Eindämmung unerwünschter Steuergestaltungen. Der Sprecher kündigte eine „sehr zeitnahe“ Beratung im nächsten Jahr an. Die SPD-Fraktion nannte die Änderungen beim Invest-Zuschuss eine wichtige Weichenstellung. Durch die Umwandlung der Freigrenze in einen Freibetrag sei bei der steuerlichen Behandlung von Betriebsfeiern eine für die Arbeitnehmer gute Lösung gefunden worden. Das gelte auch für die Änderungen im Bereich Erstausbildung.

Die Fraktion die Linke nannte die Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf grundsätzlich richtig, aber es handele sich nur um „Stückwerk“. Während die Regelung für Betriebsfeiern auf Zustimmung stieß, kritisierte die Fraktion die Anhebung der Abzugsbeträge für eine Basisversorgung im Alter als Steuerentlastung für Besserverdienende. Diese Ansicht vertrat auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Beide Oppositionsfraktionen kritisierten, dass das sächliche Existenzminium für Kinder in diesem Jahr nicht erhöht worden sei, obwohl dies verfassungsrechtlich geboten sei. Dass der Betrag um 72 Euro zu niedrig sei, bezeichnete die Linksfraktion als verfassungswidrigen Zustand. Bündnis 90/Die Grünen erklärten, das Zollkodex-Gesetz wäre die letzte Gelegenheit gewesen, das Existenzminimum noch in diesem Jahr anzuheben. Dass die Koalition das nicht getan habe, sei ein „Skandal“.