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Das letzte Hotel der Welt schließt

Das letzte Hotel der Welt schließt - Ein ungehöriger Zwischenruf von Chefredakteur Carsten Hennig (Foto: Foundry/Pixabay)

Hamburg, 24. September 2016 – Ein ungehöriger Zwischenruf von Chefredakteur Carsten Hennig
Im November 2032 schließt das letzte, kommerzielle Hotel der Welt. Die unheilvolle Entwicklung begann just am 23. September anno 2016, als Airbnb eine abermalige Investorenrunde über mehr als 550 Millionen US-Dollar bekannt gegeben hatte. – Bevor Sie sich jetzt Kopfschütteln der Lektüre dieser düsteren Vorahnung abwenden, sollten Sie mir die Chance lassen, die umwälzenden Marktveränderungen in einer pointierten Darstellung zuzuspitzen; empörender Widerspruch ist ausdrücklich erbeten!

bett-decke-foundry-pixabay

Airbnb, weltweit gehasste Distributeur privaten Wohnraums, konnte das Rennen in der Digitalisierung der Beherbergung für sich entscheiden. Obwohl schwarze Zahlen noch fern waren, investierten immer mehr Geldgeber in das Ausbau des Buchungsportals. Mahnende Worten von Investorlegenden wie Warren Buffett wurde von dem meisten überhört – selbst Hotelinvestor-Veteranen wie Barry Sternlicht, der einst Starwood Hotels gegründet hatte (die Gruppe gab’s schon im Herbst 2016 nicht mehr), setzten weiterhin auf Businesshotels – mit schweren Verlusten, wie man heute weiß. Erste Vorahnungen über die dramatischen Marktveränderungen kamen Ende 2017 auf, als die US-Familie Marriott sich von wesentlichen Anteilen ihres Hotelkonzerns, damals immerhin der mit Abstand größte weltweit, trennte. Sie sattelte um und konnte mit Geschick einen Gutteil ihrer Beherbergungsimmobilien in Bestlagen in den Innenstädten in komfortable Wohnheime für vermögende Best Ager und Rehazentren für Senioren umwandeln.

Übernachtungen außerhalb der eigenen vier Wände sind längst Privatsache geworden, allerdings stark professionalisiert. Als die ersten Managementtrainees großer Hotelketten ihren Job schmissen und sich als Profi-Gastgeber mit möblierten Apartments und Kleinwohnungen in urbanen Lagen selbstständig machten, war dies selbst erfahrenen Marktbeobachtern nur eine Notiz am Rande wert.

Natürlich gibt es heute noch “Hotels”, aber ganz anders als wir dachten. Buchung, Check-in und Versorgung mit Hotelwäsche und Frühstück erfolgt vollautomatisch per Smartphones und Lieferdrohnen.

Die persönlichen Anforderung an die (Profi-)Gastgeber wurden jedoch mit den Jahren gänzlich andere. Jeder Gastgeber wurde zum Chefverkäufer und dessen Profile in sozialen Netzwerken zum Buchungsfaktor, ganz nach dem Motto: “Ich bin ihr bester Gastgeber”. Einzig die damit an Persönlichkeiten orientierte “Hotelbewertung” erwies sich in den ersten Jahren als juristische harte Nuss: Erste Grundsatzurteile sollten diese Art der Rezension von Menschen kategorisch verbieten, wurden aber interessanterweise weltweit ignoriert.

Der globale Markt der Beherbergung gewann enorm an Bedeutung und gebar für etliche Dienstleister und Gründer goldene Chancen. So gewannen die Airbnb-Akademien zur Ausbildung und Schulung der Gastgeber enormen Zulauf, insbesondere an den beliebten europäischen Campus-Standorten in München, der Altstadt von Dublin und auf Malta. Aber auch Franchisenehmer wie ehemalige private Hotel-Hochschulen, die vorausschauend ihre Lehrprogramme auf Airbnb, dem “Google der Hotellerie”, umgeplant hatten, verdienten damit ordentliches Geld.

Indes blieben die Bemühungen einiger Marktakteure, die privaten Profi-Gastgeber mit mehr Direktbuchungen ein Stück weit von Airbnb unabhängig zu machen, nur hehre Vorhaben, meist ohne größere Erfolge. Klassische SEO- und SEM-Maßnahmen der Anfangsjahre der digitalen Revolution wurden ohnehin rascher als gedacht von PR-Strategien und Storytelling-Schulungen für die persönlichen Verkaufsprofile abgelöst. Quereinsteiger aus der Finanzindustrie, die bereits zuvor im Vertrieb von Finanzprodukten mehr als nur erfolgreich waren, hängten viele Neu-Hoteliers locker ab.

Das letzte, kommerzielle Hotel der Welt war übrigens ein Hilton HHonours Hotel in einer Kleinstadt im mittleren Westen der USA. Der Betreiber, angeblich ein entfernter, wohl angeheirateter Verwandter vom einstigen Hotelkönig Conrad Hilton, hatte Jahre zuvor einen Rechtsstreit mit der gleichnamigen Hotelkette bzw. deren Nachfahren und Namensrechte-Inhaberinnen gewonnen und sein eigenes Hotelkonzept betrieben. Seine Idee, Übernachtungspreise nach dem Punktestand ihres Kundenbindungsprogrammes zu staffeln, hatte sich spannenderweise als robust erwiesen. Bis zuletzt.

Die Konzernführung von Airbnb weigert sich bis heute, Loyalty-Marketing einzuführen. Wohl aus rein kommerziellen Gründen. Die jährlichen Gewinne, bereits seit 2018 nicht mehr öffentlich gemacht, sollen sich Gerüchten zufolge auf Billionen US-Dollar belaufen. Die überschaubare Zahl der Airbnb-Aktionären ist seit jeher unter schweren Vertragsstrafen zu absolutem Stillschweigen verpflichtet und genießt den Beobachtungen zufolge ein Leben in Wohlstand.