Skip to content

Brandschutz im Hotel soll aufgeweicht werden – Interview mit Hotelsicherheits-Experte Ulrich Jander

(München, 15. Juli 2015) Welchen Stellenwert hat Sicherheit für die Hotelgäste? Die jüngste Forderung des Dehoga-Landesverbandes Bayern, die Auflagen für den Brandschutz im Gastgewerbe zu lockern, sorgt für Kopfschütteln bei Feuerwehren und Sicherheitsexperten. Ulrich Jander, aus dem Fernseher bekanner Hotelsicherheitsberater, warnt vor fatalen Folgen.

Ulrich Jander
Ulrich Jander

Herr Jander, zurzeit gibt es in der Branche Gerüchte, Forderungen, die Brandschutz und statische Anforderungen in Hotels betreffen, seien von den Behörden überzogen.
Ulrich Jander: „Ja, diesen Bericht des Dehoga-Landesverbandes Bayern habe ich mit einem innerlichen Kopfschütteln auch zur Kenntnis genommen.“

Inwiefern zwingt es Sie zu einem Kopfschütteln, wenn’s brennt kommt doch die Feuerwehr?
Jander: „Tja, das stimmt schon, wir können uns in Deutschland glücklich schätzen, dass wir hier so ein gutes Brandschutzkonzept haben, und das minimiert bei uns auch die Brandgefahren.“

Ist es denn nicht manchmal übertrieben, was da so gefordert wird?
Jander: „Was ist Übertreibung? Derjenige, der die Forderung oder das Brandschutzkonzept erstellt hat, hat sich schon was dabei gedacht und das Konzept wird somit erläutert. Früher haben die Bauämter ihre Forderungen vorgegeben, heute ist es so, dass der Bauherr ein Brandschutzkonzept vorlegen muss – auch die statischen Berechnungen mit allem was dazugehört – dann wird es durch das Bauordnungsamt geprüft und ggf. abgenickt.“

Heißt das, dass die Forderungen in den letzten Jahren gestiegen sind?
Jander: „Ja, schauen Sie sich doch mal die alten Filme aus den 1940er und 1950er Jahren an, da waren die Themen Flucht- und Rettungswege, Brandschutztüren u.v.m. quasi nicht vorhanden.“

Und warum die Änderungen, woran liegt es?
Jander: „An der Technik, die sich rasant geändert hat. Heute ist vieles automatisiert, auch aus gutem Grund. Es wird überall an Personal gespart, also muss die Technik ran, auch bei den Feuerwehren, die sich immer häufiger über Personalmangel beklagen. Die Einsätze werden immer vielseitiger, heutzutage muss man auf besondere Technik zurückgreifen.“

Dadurch sind höhere Forderungen berechtigt?
Jander: „Ja klar, es geht auch um die statischen Berechnungen. Wenn man schaut, wie man heutzutage baut, muss das schon genau berechnet werden. Wo das nicht der Fall ist, kann es zu fatalen Folgen kommen. Man hat schon Häuser einstürzen sehen im Weltgeschehen, ich denke da zum Beispiel an das Kaufhaus in Asien, das zusammengefallen ist, weil die Klimaanlage auf dem Dach vibriert hatte. Damals gab es viele Tote.“

Meinen Sie, dass man mit den Forderungen bei der Politik durchkommt?
Jander: „Nein, ganz und gar nicht. Der Politiker, der auf diese Forderungen eingeht, müsste schon ein politischer Selbstmörder seiner Karriere sein.“

Wie darf ich das denn verstehen?
Jander: „Heutzutage sind auch Politiker gut beraten, sich vorher sachkundig zu machen. Natürlich könnte da viel Geld eingespart werden, aber dies ginge zulasten der Sicherheit, und jeder Anwalt würde dann sagen, das ist sogenannte Gewinnabschöpfung, hier nimmt man billigend den Tod von Gästen in Kauf, um Kosten niedrig zu halten.“

Heißt das, die Lockerung wird nicht kommen?
Jander: „Diese Forderungen wird keiner lockern, weder die Bauordnungsbehörde noch die Ministerien der Länder werden das zulassen, ganz einfach, weil die Gefahr besteht, dass die sich eines Tages vor dem Kadi befinden, und in diese Situation will sich kein Politiker, Beamter oder Gutachter begeben.“

Nun, wir sehen ja, dass Brände in den letzten Jahren zugenommen haben.
Jander: „Ja, das ist richtig. Wir haben pro Tag etwa drei bis vier Brände, die uns deutschlandweit über ein spezielles Programm gemeldet werden, da sieht man schon, wie wichtig diese Dinge auch sind. Sehr häufig können durch die Frühdetektierung größere Schäden verhindert werden.“

Sie haben ja lange Jahre auch realistische Räumungsübungen durchgeführt, warum hat dies denn nachgelassen?
Jander: „Wir haben über 200 Räumungsübungen bei diversen Hotelketten gemacht, dabei wurden immer wieder Probleme festgestellt, die dann auch behoben wurden. Aus diesen ganzen Übungen sind Lehrfilme bzw. auch eine TV-Reportage  wie ‚Notruf mit Hans Meiser’ hervorgegangen.“

Warum bieten Sie diese Leistung nicht mehr an?
Jander: „Hotels wollen diese umfangreichen Übungen nicht haben, sie argumentieren damit, dass sie die Gäste nicht verschrecken wollen und sie wollen die Feuerwehr nicht im Hause haben. Am liebsten ist es ihnen, mal auf den Knopf zu drücken und dann, wenn der Löschzug vor dem Hotel steht, zu sagen, wie toll, es hat funktioniert, und ihr könnt wieder fahren. Und dazu ist die Feuerwehr überhaupt nicht da.“

Und wie gehen Sie jetzt mit dem Thema um?
Jander: „Ich berate die Hotels, erkläre ihnen die Wichtigkeit solcher Übungen, sage Ihnen auch, dass sie es selbst organisieren müssen, und kläre sie dann haftungsrechtlich auf.“

Also, es gibt viel zu tun!
Jander: „So ist es, ändern können wir es nicht, aber man kann versuchen, die Hotellerie ein bisschen sicherer zu machen. Es gibt nur wenige, die erkannt haben, dass man mit SICHERHEIT mehr Gäste bekommt, die sich dann auch wohlfühlen.“